Preventive Restructuring durchdekliniert
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Preventive Restructuring durchdekliniert

INDat-Report 08/2017 · 27. November 2017

Warschau. Vom 05.10. bis 07.10.2017 fand in Warschau der Jahreskongress von INSOL Europe unter dem Motto »Preventive Restructuring: Sunset on Insolvency?« statt, an dem mehr als 400 Restrukturierungprofis, Rechtsanwälte, Insolvenzverwalter, Richter und Dienstleister aus dem Sanierungs- und Restrukturierungsbereich aus aller Welt teilnahmen. Erfreulich war insbesondere die hohe Teilnehmerzahl aus Polen und Rumänien. Im Fokus stand der EU-Richtlinienentwurf (RLE) für präventive Restrukturierungsrahmen und wie einzelne Mitgliedstaaten glauben, diese Vorgaben bereits umgesetzt zu haben. In den Niederlanden läuft dazu derzeit ein interessantes Gesetzgebungsverfahren.
Die Veranstaltung moderierte die englische BBC-Finanzjournalistin Sally Bundock.

Nach der Begrüßungsansprache durch den scheidenden INSOL- Europe-Präsidenten Steffen Koch, der später turnusgemäß nach einem Jahr den Stab an den bisherigen Deputy President Radu Lotrean aus Rumänien übergab, überließ dieser das Rednerpult Professor Grzegorz W. Kolodko, dem früheren polnischen stellvertretenden Ministerpräsidenten und Finanzminister in der Zeit von 1994 bis 1997 und 2002 bis 2003. Dieser forderte in seiner Rede ein neues wirtschaftspolitisches Konzept, genannt »Neuer Pragmatismus«, da sich die bisherigen makroökonomischen Theorien zu sehr nur auf die Analyse und Abläufe in nationalstaatlichen Volkswirtschaftsmodellen fokussierten und somit die geänderten internationalen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die sich auf alles auswirkenden Themen wie Globalisierung, Vernetzung, Demografie und Klimawandel zu wenig berücksichtigten. Der »Neue Pragmatismus« basiere dabei auf den Prinzipien der wirtschaftlichen Mäßigung und nachhaltigen Entwicklung. Eine zentrale Rolle zur Umsetzung dieses Konzepts kommt nach seiner Meinung dabei den internationalen Institutionen, besonders in der EU, zu.

Gläubiger legen Plan ohne Zustimmung des Schuldners vor

Im Anschluss an diesen gelungenen Beginn setzte sich das anschließende Panel gleich mit den Gründen auseinander, war- um die EU-Kommission einen solchen Fokus auf einen präventiven Restrukturierungsrahmen legt und was die Kernelemente des EU-RLE für präventive Restrukturierungsrahmen sind. Nora Wouters aus Belgien, Michael Barlowski aus Polen und Professor Michael Veder aus den Niederlanden gingen dann nachfolgend detailliert auf die Reformbestrebungen in ihren Mitgliedstaaten in Bezug auf deren jeweilige nationale Insolvenzordnungen und Reformbestrebungen, auch im Hinblick auf vorinsolvenzrechtliche Restrukturierungsmaßnahmen, ein. Hervorzuheben ist die Entwicklung in den Niederlanden. Hier befindet sich bereits ein Entwurf zu einem niederländischen Scheme im Gesetzgebungsverfahren. Eine Übersetzung ins Englische findet sich unter www.resor.nl. Dieser sieht u. a. die »Enteignung« von Anteilseignern der betroffenen Schuldnerin in einem Sanierungsprozess und den Ausschluss von Rechtsmitteln vor und beinhaltet auch die Möglichkeit, dass Gläubiger einen Insolvenz plan ohne die Zustimmung des Schuldners vorlegen können. Im Fall einer erfolgreichen gesetzlichen Umsetzung handelt es sich dann um eine der ersten Reformen des seit Jahrzehnten unveränderten niederländischen Insolvenzrechts. Auffällig sei, so Veder, wie sehr sich die Player in den jeweiligen nationalen Sanierungs- und Restrukturierungsmärkten darum bemühen, international wettbewerbsfähige, aber national geregelte Restrukturierungstools anzubieten. Dabei sei es z. B. in den Niederlanden das Ziel, ein eigenes Scheme of Arrangement anzubieten, das bereits in wesentlichen Teilen die Forderungen der EU umsetzt und noch darüber hinausgehen soll.

Folgen des Brexits für grenzüberschreitende Verfahren

Inwieweit bei all diesen Bestrebungen tatsächlich noch die Interessen der ungesicherten Gläubiger eine Rolle spielen und eine gerichtliche »Überwachung« der Prozesse erfolgen soll, sei nicht immer ganz klar. Mittlerweile könne man verstehen, dass möglicherweise eine einheitliche europäische Regelung von Insolvenzverfahren und präventiven Restrukturierungsverfahren der wesentlich bessere Weg ist, als weiterhin den Wettbewerb unter den einzelnen Mitgliedstaaten anzuheizen, wer das für den Debitor und gesicherten Großgläubiger günstigste Sanierungstool im Werkzeugkasten hat.
Das nachfolgende Panel mit Chris Laughton aus Großbritannien, Giuseppe Scotti aus Italien und Dr. Annerose Tashiro aus Deutschland unter der Moderation von Crispin Daly, ebenfalls aus Großbritannien, stand unter dem Motto »Brexit: Impact on European restructurings«. Es zeigte anhand einer länderübergreifenden Case Study einer insolventen Brauereigruppe auf, welche Auswirkungen der Brexit Englands auf solche Fälle haben wird. Tashiro erklärte, dass ein harter Brexit dazu führen werde, dass kontinentale Insolvenzverfahren nicht mehr automatisch nach der EIR (= EuInsVO) in England anerkannt (sog. recognition) werden. Auch das von England angenommene UNCITRAL Model Law helfe nur bedingt weiter, da nur wenige Mitgliedstaaten der EU dieses verabschiedet haben. Im Anschluss ging man darauf ein, was dies bei grenzüberschreitenden Konzerninsolvenzen für Folgeprobleme nach sich ziehen kann. Sollte es bezüglich der EIR nicht zu einer Regelung seitens Englands mit der EU oder den einzelnen Mitgliedstaaten kommen, bleibe den europäischen Insolvenzverwaltern bei Unternehmensinsolvenzen mit Beteiligungen in England nur der Weg, die englische Unternehmung nach Möglichkeit aus einem Insolvenzverfahren herauszuhalten oder sich mit einem englischen Verwalter im Zuge engster Kommunikation auf Handlungsweisen zu einigen, die denen der Regelungen in der EIR entsprechen und einen Verkauf der Gruppe als Ganzes nicht unmöglich machen. Am Ende stellte Tashiro nochmals die aktuellen Vorteile der EIR in Form der automatischen Anerkennung von Insolvenzverfahren in den Mitgliedstaaten und der lex fori concursus samt Ausnahmeregelungen heraus, die aus ihrer Sicht letztlich auch zu einer besseren Transparenz und zu Kosteneinsparungen führten.
Das Panel zum Thema »Group Insolvencies: Theory and Practice in cross-border Insolvencies« unter der Moderation von Bartosz Merczynski aus Polen kam letztlich zu einem ähnlichen Ergebnis, nämlich dass intensive Kommunikation, Kooperation und Koordination zwischen den beteiligten Akteuren in länderübergreifenden Konzerninsolvenzen, auch wenn die EIR gilt, entscheidend ist. Dr. Michael Jaffé aus Deutschland konnte hierbei auf seinen Erfahrungsschatz zurückgreifen und dies entsprechend gut anhand von Beispielen im Rahmen der präsentierten Case Study darstellen. Interessant waren hier besonders die Schwierigkeiten, mit denen Insolvenzverwalter aus EU-Mitgliedstaaten zu kämpfen haben, wenn Konzernteile in der Schweiz ihren Sitz haben, da das schweizerische Insolvenzrecht laut Brigitte Umbach-Spahn aus der Schweiz als oberstes Ziel eher die Maximierung der Erlöse der in der Schweiz gelegenen Vermögenspositionen habe und einen Going-concern-Ansatz nicht als oberstes Ziel verfolge.

Französischer Gesetzgeber hat den RLE vorweggenommen

Am Nachmittag gab es dann zu unterschiedlichen Themen vier sogenannte Break-out Sessions. Hängen geblieben sind hier vor allem die Ausführungen von Reinhard Dammann aus Frankreich und Michael McAteer aus Irland im Bezug zur Umsetzung des EU-RLE, dass Cram-Down-Regelungen wegen sog. Störer in Sanierungs- und Restrukturierungsverfahren als Regelungen zwingend erforderlich seien. Dammann forderte außerdem, dass solche Eingriffe nur mittels gerichtlicher Beteiligung möglich sein sollten.
Spannend auch die Ausführungen von Catherine Ottaway aus Frankreich am Freitagnachmittag im Rahmen des Vortrags des Turnaround Wing zum RLE. Nach ihrer Auffassung komme es aufgrund der bereits bestehenden gesetzlichen Regelung zu Sanie- rungs- und Insolvenzverfahren in Frankreich zu so gut wie keinen Verlusten an Verfahren nach England. Dies erkläre sich dadurch, dass der französische Gesetzgeber wesentliche Teile des Vorschlags bereits vorweggenommen und geregelt habe.
Aus deutscher Sicht herauszuheben ist noch der Vortrag von Dr. Robert Hänel im Rahmen des Panels über präventive Restrukturierungsverfahren am Samstagvormittag. Neben der sehr ansprechenden Präsentation ist es aus deutscher Sicht gelungen, die Vorteile der Eigenverwaltung und des Insolvenzgelds darzustellen und vor allem die Kostenersparnis, die Restrukturierungen im Rahmen solcher Verfahren in Deutschland für alle Beteiligten mit sich bringen können. Dies werde im Rahmen des Wettbewerbs der nationalen Restrukturierungsstandorte von den Wettbewerbern aus den USA und England gerne immer wieder nicht thematisiert.
Als gelungene Hilfe für die praktische Tätigkeit als Insolvenzverwalter ist zudem die Arbeit herauszuheben, die sich das Panel um Susanne Fruhstorfer aus Österreich bestehend aus Anna Hrycai aus Polen und Niklas Körling aus Schweden zum Thema Insolvenzregister der EU-Mitgliedstaaten gemacht hat. Detailliert wurde hier eine sehr übersichtliche Präsentation zu jedem Mitgliedstaat gehalten, die aufzeigt, wo und wie man Veröffentlichungen zu Insolvenzen im Internet finden kann. Dies erleichtert die Arbeit bei vielen grenzüberschreitenden Fällen erheblich, so z. B. bei der Suche von Informationen zu ausländischen Gesellschaftern von deutschen Firmen. Diese wie alle Präsentationen der Referenten sind zu finden auf www.insol-europe.org.

Quelle: INDat-Report 08/2017, Veröffentlichung mit Genehmigung der Redaktion

PLUTA Experte

Ivo-Meinert Willrodt

Ivo-Meinert Willrodt
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht, Executive M.B.A.-HSG

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